Erinnerung an das Aufstellen des Triangulationssteines auf dem Greifenstein bei Ehrenfriedersdorf vor 150 Jahren
Wer schon einmal auf dem Aussichtsfelsen der Greifensteine gewesen ist, dem wird sicherlich neben der Beobachtungsplattform eine kleine Granitsäule aufgefallen sein. Es ist ein sogenannter Triangulationsstein mit der Inschrift: Station GREIFENSTEIN der Kön. Sächs. Triangulierung 1865 (siehe Bild 1).
Bild 1: Triangulationsstein
Derartige Steine wurden in dieser Zeit in ganz Sachsen aufgestellt. Ziel war es, ein flächendeckendes Festpunktnetz zu schaffen, was wiederum für die Herstellung eines einheitlichen und genauen Kartenwerkes die Grundlage bildet. In Sachsen wurden zunächst 36 Triangulationssteine bzw. Stationen aufgestellt. Sie wurden vorzugsweise auf Bergen und Hügeln errichtet und waren ca. 30 bis 50 km voneinander entfernt. Durch die Methode der Triangulation (Winkelmessung in Dreiecken) konnte man dann auf rechnerischem Weg und eben nur durch Winkelmessung die Koordinaten der einzelnen Festpunkte (Stationen) ermitteln. Genaue Längenmessungen zwischen den Punkten wären auch gar nicht möglich gewesen, und wenn, dann nur mit ungeheuer großem Aufwand. Das so entstandene Punktenetz war das „Sächsische Triangulationsnetz 1. Ordnung“. Für die Berechnung der ersten Festpunkte brauchte man jedoch noch eine Basis, also eine bekannte Länge, von der aus überhaupt die Berechnung der ersten Koordinaten erfolgen konnte. Diese Basis ist die „Großenhainer Grundlinie“, die heute wieder nach erfolgter Rekonstruktion besichtigt werden kann. Die Länge der Basis ist ca. 8,9 km und hat ihren Mittelpunkt bei Großenhain. Die Basisenden liegen bei den Orten Quersa und Raschütz. Später wurde das Triangulationsnetz verdichtet, d.h. es kamen nochmal 122 Stationen in Abständen von 20 bis 30 km dazu. Einer dieser Punkte der Netzerweiterung war nun eben 1865 auf dem Greifenstein errichtet worden und zwar als „Station 129 Greifenstein“ im Netz 2. Ordnung. Die Königlich Sächsische Triangulation wurde bereits 1862 durch Johann Jacob Baeyer initiiert und ein Großteil der europäischen Länder mit einbezogen (Mitteleuropäische Gradbogen-messung). Das war übrigens die erste internationale Zusammenarbeit von Ingenieuren in Europa.
Verantwortlich für die Durchführung in Sachsen waren die Gradmessungscomisare Prof. Weis- bach, Prof. Bruhns und Prof. Nagel. Professor Weisbach war zu dieserZeit an der Bergakademie Freiberg tätig, lehrte Maschinenkunde und reformierte die Markscheidekunde. In den Gegenden, in denen Markscheider tätig waren, übertrug Weisbach diesen das Aufstellen der Steine und so eben im Greifensteingebiet dem damaligen Markscheider und Betriebsschichtmeister (also Werkleiter) der „Vereinigt Feld Fundgrube Ehrenfriedersdorf“, Herrn Friedrich Julius Weiß.
Bild 2: Dreiecksnetz in Sachsen Als im Jahr 1985 die Treppe zur Aussichtsplattform aus Sicherheitsgründen entfernt und erneuert werden musste, war der Triangulationsstein im Weg und musste ebenfalls kurzzeitig abgerissen werden. Bei diesen Arbeiten machte man einen sehr interessanten Fund. Markscheider Weiß hatte nämlich damals, genau wie bei einer Grundsteinlegung, unter dem Triangulationsstein in einen Hohlraum eine Glasampulle gelegt. Sie war mit einem Glasstöpsel luft- und wasserdicht verschlossen. Das darin liegende Schriftstück und eine Photographie von Weiß waren einwandfrei erhalten geblieben. Dadurch erfahren wir einige Fakten über das Aufstellen des Beobachtungssteines und auch etwas über die damaligen Verhältnisse, von denen im Folgenden einiges wiedergegeben wird. Weiß schreibt, dass die Errichtung des Stand- und Beobachtungspunktes an zwei Tagen durch ihn ausgeführt wurde und zwar am 25. und 26. August des Jahres 1865. Die Stadtgemeinde Ehrenfriedersdorf als Besitzerin und Eigentümerin des Greifensteins hatte zuvor durch ihren Stadtrat (Vorsitzender: Herr Bürgermeister Albert Meyer) die Genehmigung dazu erteilt. Außerdem wirkten bei der Errichtung der Steinmetzmeister Carl Friedrich Höfer, der Zimmermeister Carl Gottlob Heeg und der Obersteiger Johann Friedrich Hahmann von Ehrenfriedersdorf mit. Der Transport der Pfeilerstücke erfolgte mittelst Flaschenzug und Schleppschienen. In seiner Aufzeichnung teilt Weiß uns außerdem mit, dass er auch die Stationen auf dem Bärenstein, dem Pöhlberg und dem Hirthstein bei Satzung fixierte und dies nächstens noch auf dem Lauterbacher Knochen bei Marienberg tun wollte.
Dann folgen noch einige Bemerkungen über die allgemeinen Verhältnisse in Sachsen, von denen ich hier einige zitieren möchte: „Das theure sächsische Vaterland zeichnet sich gegenwärtig aus unter der weisen und gerechten Regierung des allgeliebten Königs Johann… …sowie durch sehr günstige Staats-Finanzen und durch bedeutende Intelligenz in Bezug auf Kirche und Schule, auf Wissenschaften, Handel, Gewerbe, Künste, Acker- und Bergbau, Forstwirtschaft pp. und ist unzweifelhaft das best cultivierte Land der Erde, indem England, Frankreich, Belgien und Preußen (welche Länder ebenfalls eine hohe Stufe der Kultur einnehmen) nicht in jeder Beziehung so Ausgezeichnetes leistet als Sachsen.“ Über den Bergbau in Ehrenfriedersdorf kann Weiß nicht allzu viel Gutes vermelden und so schreibt er weiter, dass der Bergbau in dieser Gegend bisher durch Zersplitterung der Grubenfelder in viele kleine Gruben seit langer Zeit sehr irrationell betrieben worden ist und in Folge dessen seit mehreren Jahren nicht mehr lohnend sei. „Seit circa 10 Jahren sind zwar da und dort mehrere kleine Gruben zu größeren Complexen consolidiert, trotzdem eben zu der sehr kostspieligen Wiedereröffnung der Tiefbaue oder Ausrichtung frischer Erzmittel noch nicht hinreichende Geldsummen beschafft worden, sodaß der Bergbau im Allgemeinen in der bezeichneten Gegend sehr flau betrieben wird und fast dem Erlöschen nahe ist. Die Ehrenfriedersdorfer Zinngruben mit Ausnahme von Mittlere Kleine Vierung Fundgrube, welche zeither jährlich gegen 150 Zoll-Centner Zinn ausgebracht hat, welche ebenfalls ziemlich erloschen waren, sind im Jahr 1857, wo sehr hohe Zinnpreise (bis zu 55 gr..) stattfanden von der Dessauer Creditanstalt zusammengekauft worden, um einen großartigen und dadurch lohnenden Zinnbergbau herzustellen. Vom Quartal Luciae 1857 an wurden auch, unter meiner Leitung, zwei Haupt- (Richt) Schächte (der eine auf dem Sauberge, der andere auf dem Freiwalde) angelegt und bis in die Mitte des Jahres 1861 bedeutende Aufschlußarbeiten mit sehr günstigem Erfolge ausgeführt. Im letztgedachten Jahr jedoch hatte die genannte Creditanstalt so bedeutende Geldverluste durch amerikanische Kriegswirren etc., daß zur Herstellung von Förder-, Aufbereitungs- und Verhüttungs-Maschinen nicht verschritten werden konnte. Das großartige hoffnungsreiche Werk ist deshalb seitdem in höchst schwachem Betrieb und im Jahre 1864 zwar von einem Annaberger Kaufmann, Namens G. E. Höfer erkauft worden, jedoch nur aus Speculation, um es weiter zu verkaufen und einen ansehnlichen Gewinn zu erlangen. Da der Bergbau gegenwärtig sehr schlecht renomiert ist und Höfer, der sich des Weiterverkaufes wegen schon 9 Wochen in England befindet, sehr hohe Forderungen zu machen scheint, so fürchte ich leider, daß das schöne Werk noch nicht sobald, als wünschenswerth ist, wieder in Angriff und fertig gestellt werden wird.“ Des Weiteren erfahren wir von den Problemen, die Markscheider Weiß bei der Beschaffung von Wasser für den Bergbau am Sauberg hatte.
Seit Jahrhunderten kam ja das Wasser, welches zur Aufbereitung der Erze dringend benötigt wurde, vom Geyerschen Teich (früher Damm-Teich genannt) über den Röhrgraben zum Sauberg und sogar bis ins Seifental. Nach dem Rückgang des Bergbaus machten sich dann andere Erwerbszweige wie z.B. Spinnereien mit Genehmigung der Stadt Ehrenfriedersdorf das Wasser zu nutze. Dazu schreibt Weiß folgendes: „Sehr große Schwierigkeiten, Mühen und Sorgen bereiten mir mehrere Prozesse, welche ich für das Werk (den Bergbau) wegen des Röhrgrabens mit der Stadtgemeinde Ehrenfriedersdorf und mehrerer dasiger Baumwollen-Spinnereien zu führen hatte, indem seit 1840 wegen des schwachen Bergbaubetriebes in die Röhrgrabengefälle Baumwollen-Spinnereien eingebaut worden und diese Werke von der Stadtgemeinde auf alle Weise unterstützt wurden. Trotz allen Schwierigkeiten wurden aber sämtliche Prozesse für den Bergbau günstig entschieden. Wesentliche Unterstützung leistete Advocat Herrmann Theodor Brause in Freiberg. Möchte der liebe gnädige Gott recht bald diesen Werken neue Geldkräfte zuführen, damit der obererzgebirgische Bergbau nicht ganz zum Erliegen, vielmehr wieder zu Ehren komme. Der Monat Juli d.J. zeichnet sich aus durch anhaltende Trockenheit und Wärme, bis zu 45 Grade Réaumur in der Sonne (56,25°C). Seit circa 30 Jahren leiden die Kartoffeln an einer Krankheit, welche darin besteht, daß sie im Keller ungemein schnell faulen. Seit mehreren Jahren spielen die Turn- und Gesangs-Vereine, sowie Feuerwehren eine große Rolle und finden alljährlich große allgemeine Feste statt, so im jetzigen Jahre das erste Deutsche Sängerfest in Dresden, wobei circa 20 000 active Sänger wirkten, wozu eine Halle von 272 Ellen Länge und 120 Ellen Tiefe erbaut war. Schließlich füge ich meine Photographie bei, um womöglich, wenn letztere sich hält, der lieben Nachkommenschaft zu zeigen, auf welchem Fuße die Photographie steht.“ Die originalen Fundstücke waren über Jahre hinweg im Betrieb Zinnerz Ehrenfriedersdorf zu sehen gewesen. Leider sind sie heute dort nicht mehr auffindbar – ein bedeutender kulturhistorischer Verlust! Das wir heute wenigstens eine Kopie des Textes haben, verdanken wir der ehemaligen Chefgeologin der Zinngrube Ehrenfriedersdorf, Frau Dr. Maria Mann, die damals den Originaltext (alte deutsche Schrift) in die heute, für die meisten von uns lesbare lateinische Schrift übersetzte.